E-Rechnung in Deutschland und Polen: Zwei Wege, ein Ziel
Die verpflichtende Einführung elektronischer Rechnungen steht europaweit auf der digitalen Agenda. Während die EU mit der Norm EN 16931 einen einheitlichen Rahmen geschaffen hat, gehen die Mitgliedstaaten bei der konkreten Umsetzung eigene Wege. Besonders deutlich wird das im Vergleich zwischen Deutschland und Polen. Beide Länder befinden sich inmitten des Umstellungsprozesses – jedoch mit klar unterschiedlichen Ansätzen, Zeitplänen und technischen Rahmenbedingungen.
Während Unternehmen in Deutschland aktuell vor allem mit der schrittweisen Einführung nationaler Formate wie ZUGFeRD und XRechnung im B2B-Bereich konfrontiert sind, setzt Polen mit dem KSeF-System auf eine zentrale staatliche Plattform für elektronische Rechnungen im B2B-Sektor. Für den öffentlichen Sektor gibt es in Polen zusätzlich die Elektronische Rechnungsplattform (Platforma Elektronicznego Fakturowania – PEF). Für deutsche Unternehmen, die auch in Polen tätig sind oder grenzüberschreitende Geschäftsprozesse steuern, lohnt sich ein genauer Blick – nicht nur aus steuerlicher, sondern auch aus organisatorisch-technischer Perspektive.
Politischer Rahmen und Motivation
Deutschland orientiert sich bei der Umsetzung an der EU-Richtlinie 2014/55/EU und folgt einem dezentralen Modell mit verschiedenen Formaten und Anbietern. Ab Januar 2025 müssen alle Unternehmen im inländischen B2B-Bereich in der Lage sein, elektronische Rechnungen zu empfangen. Ab 2027 wird dies durch eine flächendeckende Pflicht zur Nutzung elektronischer Rechnungen ergänzt.
Polen verfolgt hingegen einen zentralisierten Ansatz: Seit Januar 2022 kann das nationale E-Rechnungssystem KSeF freiwillig genutzt werden. Polen verfolgt hingegen einen zentralisierten Ansatz: Seit Januar 2022 kann das nationale E-Rechnungssystem KSeF freiwillig genutzt werden. Ab dem 1. Januar 2027 dürfen Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von über 800.000 € keine Rechnungen mehr auf Papier oder in unstrukturiertem elektronischem Format ausstellen; E-Rechnungen im EN-konformen EDI-Format sind weiterhin möglich, sofern eine bilaterale Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern besteht. Ab dem 1. Januar 2028 wird diese Verpflichtung auf alle übrigen Unternehmen ausgeweitet.
Technische Gestaltung und Infrastruktur
Im deutschen B2B-Sektor existiert keine zentrale Plattform für elektronische Rechnungen. Stattdessen können strukturierte Formate wie ZUGFeRD (hybrid) oder XRechnung (ursprünglich für den öffentlichen Sektor entwickelt, aber auch im B2B einsetzbar) genutzt werden. Die Übermittlung erfolgt über verschiedene Kanäle – unter anderem via Peppol, EDI, E-Mail oder Webportale. Dieses dezentrale Modell soll Unternehmen möglichst viel Flexibilität bieten und gleichzeitig eine automatisierte Weiterverarbeitung der Rechnungen ermöglichen.
Im Gegensatz dazu basiert das polnische KSeF-System auf einem zentralisierten Ansatz: Alle Rechnungen müssen in einem standardisierten XML-Format übermittelt und mit einer digitalen Signatur versehen werden. Die Übertragung ist ausschließlich über die offizielle API oder das staatliche Webportal möglich. Andere Übertragungswege – einschließlich Peppol – sind aktuell nicht zugelassen, auch wenn eine künftige Anbindung an europäische Standards in Erwägung gezogen wird.
Zeitplan im Vergleich
Land | Stufen & Zeitplan |
Deutschland
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Empfangspflicht im B2B seit 1. Jan 2025 Pflicht zur Ausstellung ab 2027 (Umsatz > 800 Tsd €) Flächendeckend ab 2028 |
Polen
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Nutzung KSeF freiwillig seit Jan 2022 Pflicht ab 1. Feb 2026 (große Unternehmen) Ab 1. Apr 2026 für die meisten Ausnahmen bis 1. Jan 2027 für Kleinstfirmen |
Zwei Systeme im Vergleich -Tabellenzusammenfassung
Thema | Deutschland (B2B) | Polen (KSeF) |
Systemtyp | Kein zentrales System – rechtlicher Rahmen mit Vorgaben zur Nutzung strukturierter Rechnungsformate nach EN 16931 (z. B. XRechnung, ZUGFeRD) | Zentralisierte staatliche Plattform für alle Rechnungen (KSeF) |
Einführungspflicht | Ab dem 1. Januar 2025 gilt im B2B-Bereich eine generelle Empfangspflicht für elektronische Rechnungen. Ab 2027 besteht eine Pflicht zur Ausstellung elektronischer Rechnungen für Unternehmen mit einem Umsatz von über 800.000 €. Ab 2028 wird diese Ausstellungsverpflichtung flächendeckend für alle Unternehmen eingeführt. | Ab Februar 2026 für große Unternehmen, ab April 2026 stufenweise für alle (Ausnahmen bis Jan. 2027) |
Geltungsbereich | B2B-Inland, B2G bereits reguliert (verschiedene Lösungen im Einsatz, geplante Vereinheitlichung) | B2B-Inland verpflichtend |
Format | Strukturiertes XML (z. B. XRechnung) oder hybrides Format (PDF mit eingebettetem XML, z. B. ZUGFeRD) bzw. andere Formate, jeweils konform mit EN 16931. | Einheitliches XML-Format nach polnischer Spezifikation, verpflichtend für alle Dokumente |
Übertragung | Verschiedene Wege: Peppol, E-Mail, Webportale, Webservices – je nach Partner und technischer Ausstattung | Ausschließlich über KSeF – per API oder Webportal (Peppol-Anbindung in Vorbereitung) |
Vorteile | Hohe Flexibilität, Einbindung in bestehende Prozesse möglich | Einheitliche Plattform, Echtzeit-Meldung an Finanzbehörde, schnellere MwSt.-Erstattung |
Behördenlösung | Verschiedene Plattformen auf Landes- und Bundesebene für B2G (z. B. ZRE, OZG-RE); Ziel: Vereinheitlichung bis 2027 | Polen verfolgt einen zentralisierten Ansatz: Ab dem 1. Januar 2026 wird das Nationale E-Rechnungssystem KSeF für große Unternehmen verpflichtend und ab dem 1. April 2026 für alle anderen Steuerpflichtigen. KSeF deckt die B2B-Rechnungsstellung ab, während die Plattform für elektronische Rechnungsstellung (PEF) speziell für den öffentlichen Sektor bestimmt ist. Beide Systeme werden zusammenarbeiten, sich jedoch nicht gegenseitig ersetzen. |
SAP-spezifische Anforderungen in beiden Ländern
Die bevorstehenden gesetzlichen Änderungen zur E-Rechnung betreffen in beiden Ländern vor allem die ERP-Landschaft – und erfordern gezielte Anpassungen in SAP-Systemen.
Deutschland setzt auf ein offenes, dezentral organisiertes Modell mit verschiedenen Übertragungswegen und Formaten wie XRechnung oder ZUGFeRD. SAP-Systeme – ob S/4HANA oder ECC – müssen in der Lage sein, diese Formate zu erzeugen, zu validieren und zu empfangen. Technisch kommen dafür u. a. SAP Document Compliance, die SAP Integration Suite (z. B. für Peppol-Anbindung) sowie externe Add-ons oder angepasste Formularlösungen zum Einsatz.
Polen verlangt eine direkte Anbindung an das zentrale KSeF-System über eine API. SAP-Systeme benötigen dafür eine technische Erweiterung, die die Erstellung, Signatur, Übermittlung und Archivierung der vorgeschriebenen XML-Dokumente automatisiert. Ohne diese Integration ist die Rechnungsstellung künftig nicht mehr rechtskonform möglich.Unternehmen, die in beiden Ländern tätig sind, stehen vor der Herausforderung, zwei sehr unterschiedliche Anforderungen in ihre Systemarchitektur zu integrieren – mit jeweils spezifischem Aufwand für Mapping, Kommunikation und Prozessgestaltung.
Handlungsempfehlungen für SAP-Kunden – nach Unternehmenstyp
Unternehmenstyp | Handlungsbedarf in Deutschland | Handlungsbedarf in Polen |
Nur in Deutschland tätig | Prüfung der SAP-Prozesse auf E-Rechnungsfähigkeit (XRechnung / ZUGFeRD) und gesetzeskonforme Übertragungskanäle (z. B. EDI, Peppol optional) | Kein Handlungsbedarf |
Nur in Polen tätig | Kein Handlungsbedarf | Pflicht zur API-Anbindung an KSeF, Umstellung der Ausgangs- und Eingangsprozesse im SAP-System Peppol-Anbindung ist in Planung, derzeit jedoch nicht verfügbar |
In beiden Ländern operativ tätig | Einführung einer dualen Strategie: Unterstützung beider Formate (DE + PL) im SAP-System erforderlich Prozesse und Formate müssen harmonisiert, aber getrennt steuerbar sein |
KSeF gilt verpflichtend bei Rechnungsstellung mit polnischer Steuernummer (NIP PL) – auch für ausländische Unternehmen |
In Deutschland ansässig, keine Niederlassung in PL, aber mit polnischer Steuernummer (NIP PL) | SAP-System muss zusätzlich das polnische KSeF-Format unterstützen Formatwahl abhängig vom Geschäftspartnerland (DE/PL) erforderlich |
KSeF-Pflicht ab 2026 – allein durch Nutzung des NIP PL, auch ohne feste Niederlassung in Polen |