Hicron: Wie hat das mit dem Softwaretesten bei Dir angefangen, hattest Du vorher schon irgendwelche speziellen Kenntnisse?
ML: Schon am Ende meines Studiums habe ich mich nach einer Stelle als Tester umgesehen. Ich habe ein Studium mit einer Spezialisierung in Computerphysik abgeschlossen, verfügte also über technisches Grundwissen. Die theoretischen Grundlagen für das Testen habe ich mir dann selbst beigebracht, indem ich Blogs oder Artikel im Internet gelesen habe. Vor allem aber förderte mein Studium in mir diejenigen Qualitäten, die jeder Tester benötigt: Wissbegierde, Auffassungsgabe, Gewissenhaftigkeit, die Fähigkeit zum logischen Denken und ein gesunde Portion „Misstrauen“ (womit ich etwa die Fähigkeit meine, bestimmte Annahmen in Frage zu stellen).
Hicron: Ist QS wichtig? Kann ein Projekt ohne Tests zu Ende gebracht werden?
ML: Bei der Qualitätssicherung geht es um mehr als nur um das Testen allein – sie umfasst eine ganze Reihe von Aufgaben, die geplant und durchgeführt werden müssen, um schließlich das angestrebte Qualitätsniveau zu erreichen. Grundsätzlich kann jedes Projekt ohne Tests abgeschlossen werden, es ist lediglich eine Frage des Geschäftsrisikos, das wir eingehen wollen oder können. Es kann durchaus gut gehen, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass sich zum Beispiel die entwickelte Software als völlig unvereinbar mit den Erwartungen des Kunden erweist oder so „löchrig“ ist, dass die Kosten für die Behebung der Fehler ein solches Vorgehen unwirtschaftlich machen. Und es ist zu bedenken, dass ein erst später entdeckter Fehler immer teurer zu beheben ist.
Hicron: Und ist es auch möglich, durch eine Ausbildung zum Tester zu werden?
ML: Als ich mit der Arbeit als Tester begann, waren die Studiengänge für Software-Testing gerade erst im Entstehen begriffen. Inzwischen kann man diesen Studiengang an mehreren Universitäten als postgraduales Studium absolvieren.
Hicron: Was sollte man tun, um Tester zu werden, wenn man ein anderes Studium abgeschlossen hat?
ML: Der Arbeitsmarkt ist momentan durch eine große Anzahl von Berufsanfängern im Bereich Testen gesättigt. Der Beruf des Testers kann ein guter Einstieg in die IT-Branche sein, die ja als Eldorado wahrgenommen wird. Das ist tatsächlich der Fall, aber leider wird es immer schwieriger, Bewerber mit den grundlegenden Testerqualitäten zu finden, also mit Auffassungsgabe, Wissbegierde und logischem Denkvermögen. Seitdem der Beruf so beliebt geworden ist, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich das erforderliche Wissen anzueignen – entweder durch eine Ausbildung in Verbindung mit Praktika in ausgewählten Unternehmen oder durch ein postgraduales Studium in diesem Bereich. Es ist auch möglich, sich die entsprechenden Kenntnisse selbst anzueignen, sofern man jemanden in seinem Umfeld hat, der einen dabei sinnvoll anleitet und einem vielleicht auch dabei hilft, einen Ausbildungs- oder Praktikumsplatz zu ergattern.
Hicron: Was würdest Du jungen Menschen empfehlen, wenn sie in den Beruf einsteigen?
ML: Vor allem, weiter zu lernen. Wenn man erst einmal in eine Test- Routine verfallen ist, wird die persönliche Weiterentwicklung oft vernachlässigt. Ich empfehle, Blogs über das Testen oder die Anwendungssicherheit zu verfolgen, an Konferenzen teilzunehmen oder einfach Bücher über QS zu lesen. Es ist auch wichtig, sich der typischen Anfängerfehler bewusst zu sein – der erste ist mangelnde Wissbegierde und das verpasste Nachfragen bei anderen Teammitgliedern („sie haben es so geschrieben, also muss es auch so sein – aber bist du dir da wirklich sicher?“, „vielleicht war etwas nicht vorgesehen?“, „auf welche Annahmen wurde sich gestützt, vielleicht sind sie ja falsch?“ oder „ich werde nicht fragen, weil es herauskommen wird, dass ich etwas nicht weiß.“).
Hicron: Über welche Kenntnisse sollte ein Tester verfügen?
ML: Über umfassende. Der Beruf des Testers setzt eine ständige Weiterentwicklung voraus, und zwar sowohl der technischen Fähigkeiten (Testmethoden, für die Automatisierung erforderliche Programmierung, Kenntnisse der technischen Aspekte des zu testenden Produkts etc.) als auch des branchenspezifischen Wissens, also des Wissens über die geschäftlichen Aspekte der betreffenden Anwendung. Es ist nur schwer vorstellbar, dass ein Tester, der ein Bankensystem testet, überhaupt keine Ahnung von dieser Branche hat. Meiner Meinung nach sollte gerade das Fachwissen eine der Stärken eines jeden Testers sein.
Hicron: Worauf sollte man achten, wenn man Tests durchführt?
ML: Auf alles – ein Fehler kann überall lauern, sogar in den Anforderungen, die von den Kunden oder Produkteigentümern gestellt werden. Und sogar in den Testfällen, nach denen die Tests manchmal durchgeführt werden. Ein Tester sollte von Natur aus wachsam und wissbegierig sein. Und manchmal auch misstrauisch. In der Regel werden die „interessantesten“ Fehler gerade bei einem solchen „Ausbruch aus dem starren Rahmen“ vom Tester gefunden.
Hicron: Manuelle oder automatisierte Tests? Was sind die Vorteile? Und was die Nachteile?
ML: Automatisierte und manuelle Tests lassen sich nicht miteinander vergleichen. Automatisierte Tests sollen die Tester bei ihrer Arbeit entlasten, indem sie von sich wiederholenden und oft langweiligen Aufgaben befreit werden. Sie führen zweifellos auch zu schnelleren Rückschlüssen. Man sollte aber auch ihre Nachteile nicht aus den Augen verlieren – wie beispielsweise die ständige Wiederholung der gleichen Testfälle, was zum sogenannten Pestizidparadoxon führen kann (Pflanzen werden mit der Zeit resistent gegen die verabreichten Pestizide; ein ähnliches Phänomen kann bei der Softwareentwicklung auftreten – Fehler tauchen dabei außerhalb des Testpfades auf). Meiner Meinung nach sollte die Grenze zwischen den automatisierten und manuellen Tests je nach Projekt unterschiedlich gezogen werden.
Hicron: Vielen Dank für das interessante Gespräch, ich hoffe, dass diese Tipps zukünftigen QS-Profis von Nutzen sein werden!
Lesen Sie Handbuch für Tester, Teil 1 – wer hat das getestet?? und Handbuch für Tester, Teil 2 – wo versteckt sich die Qualität?