Globalisierung, wachsende Liberalisierung und Integration der Märkte sowie Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien sind die wichtigsten Faktoren, die sich auf die neuen Rahmenbedingungen der globalen Wirtschaft auswirken. Die Globalisierung der Märkte erfordert auch die Globalisierung des Managements. Die wachsende gegenseitige Abhängigkeit zwischen einzelnen Ländern schafft die Möglichkeit, bessere Optionen, Arbeitskräfte, Dienstleistungen und Waren auch im Ausland zu finden. Auf der Suche nach den besten Bedingungen für die Produktion und Kapitalanlage verlagern internationale Konzerne ihre unternehmerischen Funktionen in verschiedene Länder und Regionen der Welt. Die Entscheidung, Geschäftsprozesse ins Ausland (Offshoring) zu verlagern bzw. die Unternehmensaufgaben an externe Dienstleister abzugeben (Outsourcing), ergibt sich aus einer wirtschaftlichen Kalkulation. Entscheidend dabei ist der Ort, an dem sich die gefragten „Kompetenzen“ und „Werte“ befinden.
„Die Aufgabe des Geschäfts ist es, Veränderungen in Innovationen zu verwandeln, d.h. ein neues Geschäft zu schaffen.”
Peter Drucker
Offshoring – globale Trends und Prognosen
Eine wichtige Entscheidung im Fall von Offshoring ist die Wahl des geographischen Standortes, weil es den Zugang zu den Ressourcen bedingt und sich auf Betriebskosten auswirkt. Bei der Wahl des Ziellandes wird folgenden Faktoren Rechnung getragen: niedrige Löhne, Humanressourcen, Steuervorschriften sowie Trends, die in der jeweiligen Wirtschaft beobachtet werden. Welcher Wert im jeweiligen Moment die größte Rolle spielt, entscheiden die Unternehmen selbst. Zur Zeit werden die Offshore-Dienstleistungen in über 100 Ländern weltweit erbracht. Im diesjährigen Ranking der Top-Standorte für die Verlagerung der Geschäftsprozesse, das durch die internationale Beratungsgesellschaft Towers Watson erstellt wurde, steht die asiatisch-pazifische Region an der Spitze. Acht von zehn der besten Offshore-Standorte befinden sich in dieser Region. Als der größte Vorteil wird dabei die Kostenstruktur angesehen. In dieser Hinsicht ist Vietnam das wettbewerbsfähigste Land, gefolgt von Indien und den Philippinen. Auch Fremdsprachenkenntnisse und Fachwissen der Arbeitskräfte in diesen Ländern wurden hoch bewertet. Laut der neuesten Prognosen spielen allerdings die mittel- und osteuropäischen Länder eine immer größere Rolle in diesem Wettbewerb. Sie werden auch immer genauer von der internationalen Wirtschaft beobachtet. Die größten Stärken unserer Region sind hochqualifizierte Experten, hohe Lebensqualität, sehr gute Infrastruktur sowie stabile Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und direkte Nähe zu Westeuropa. Laut Tower Watson ist Tschechien der Spitzenreiter in der Region. Hier können ausländische Investoren seit 2012 mit 10-Jahren an Steuervergünstigung sowie Beihilfen für die Technologiezentren und Zentren für strategische Dienstleistungen rechnen. In der Rangliste der attraktivsten Offshore-Standorte belegte die Tschechische Republik den 8. Platz. Die Zuflüsse an ausländischen Direktinvestitionen seit 2004 beliefen sich in Tschechien insgesamt auf 415 Mrd. CZK (ca. 63 Mrd. PLN).
Allerdings ist Polen nicht weit hinterher. Nach einigen Quellen schneidet es sogar besser ab als die Tschechische Republik. In den letzten Jahren haben wir unsere Marke als Investitionsstandort für moderne Unternehmensdienstleistungen in Europa und weltweit wesentlich gestärkt. Polen wird nicht nur von den Vertretern globaler Konzerne und Branchenverbände sondern auch von internationalen Beratungsunternehmen anerkannt. Laut der im Mai 2013 veröffentlichte Studie von Towers Watson belegt das Land den 16. Platz in der Rangliste der attraktivsten Offshore-Standorte. Ein halbes Jahr später kletterte Polen in der Rangliste „2014 Tholons Top 100 Outsourcing Destinations” um 7 Plätze nach oben. Zudem belegte Kraków Rang 9 unter den attraktivsten Outsourcing-Standorten weltweit.
Polen im Vergleich zu anderen Ländern – optimistisch und mit Entwicklungspotenzial
Kraków schnitt besser als Dublin, Moskau, Kiew und Prag ab. Der Bericht von Tholons gibt Anlass zur Freude. Internationale Konzerne sehen unser Land immer positiver. Polen wird zu einem Outsourcing-Standort, der von ausländischen Investoren immer häufiger gewählt wird.
Der Optimismus steigt, was sich insbesondere unter Experten breit macht, die sich mit Private Equity Funds in Mitteleuropa beschäftigen. Die Ergebnisse der 23. Ausgabe der regionalen Studie von Deloitte „Central Europe Private Equity Confidence Survey” zeigen, dass der „Index der Zuversicht“ hierzulande (Central Europe PE Confidence Index), der zur Zeit 144 Basispunkte erreichte (Anstieg von 127 Basispunkten im Vergleich zu früherer Studie) das beste Ergebnis seit 3 Jahren ist. Der aktuelle Wert erinnert zudem beinahe an den Höchststand von 2003–2007. Auch im neuesten Bericht des Verbands marktführender Dienstleister für Shared-Service-Center (SSC) und Business-Process-Outsourcing (BPO) in Polen (ABSL) „Sektor der modernen Unternehmensdienstleistungen (2014)” wird die allgemeine Zuversicht bestätigt. Laut ABSL-Experten wuchs der polnische Sektor für moderne Unternehmensdienstleistungen in den letzten 2 Jahren um rund 50%. Zur Zeit gibt es in Polen bereits 470 Service-Zentren mit ausländischem Kapital, die zu 325 Investoren gehören und die rund 128 000 Mitarbeiter beschäftigen. Seit 2013 haben in Polen rund 66 Service-Zentren ihren Betrieb aufgenommen. 60% davon wurden von neuen Investoren gegründet, die zum ersten Mal in Polen eine Investition machten. Die wichtigsten BPO-Zentren in Polen sind: Kraków, Warschau, die Dreistadt, Łódź, Ballungsraum Katowice, Posen, Bydgoszcz, Szczecin und Lublin. Hier befinden sich die Finanz- und Buchhaltungszentren solcher Firmen wie etwa Affiliated Computer Services, IBM, Elektrolux, Shell, Capgemini, HCL, ACS und HSBC, France Telecom oder Hitachi. Firmen wie Hewlett-Packard, Infosys und General Electric sind nach Polen umgezogen. In Kraków befinden sich das Software-Zentrum von Motorola und das FuE-Zentrum von IBM. In der letzten Zeit investierten Unternehmer aus 28 Ländern in polnische Dienstleistungszentren. Die meisten davon waren US-Amerikaner, gefolgt von Franzosen und Briten.
Polnische Informatiker – Talente zur Miete
Der Grund für den Erfolg Polens als ein immer wichtigerer Standort für IT-Dienstleistungszentren liegt vor allem an dem Fachwissen und Talent unserer Arbeitskräfte. Polnische Facharbeitskräfte erbringen immer öfter Dienste für ausländische Kunden. Kein Wunder, denn unsere Wissenschaftler waren jahrelang auf dem Gebiet der IT weltweit erfolgreich. Polnische Ingenieure legten bereits in den 70er Jahren den Grundstein der heutigen Informatik. Sie beteiligten sich an der Herstellung von Silizium-Einkristall, welches heute zur industriemäßigen Herstellung von Mikroprozessoren verwendet wird. Vor einem Jahrzehnt erarbeiteten sie auch die Blue-Laser-Technik, welche die weiteren Arbeiten an der BluRay-Technologie ermöglichte. Schließlich entwarfen sie den Minicomputer K-202, der seiner Zeit weit voraus war. An diese Traditionen knüpfen heute polnische Informatiker, Computerprogrammierer und IT/ICT Experten an, die Polen auf internationaler Bühne vertreten. Polnische Studenten sind Finalisten zahlreicher Programmierwettbewerbe, wie etwa Top Coder, Microsoft Imagine Cup und Google Code Jam. Der neuste große Erfolg war der Sieg der Studenten und Absolventen der Technischen Universität Posen bei der ersten Coding-Weltmeisterschaft „Hello World Open”, die im Juni in Helsinki stattfand. Die hervorragenden Fähigkeiten polnischer Informatiker wurden bereits von ausländischen Unternehmen bemerkt. Laut ABSL beschäftigen ausländische IT-Zentren die meisten Mitarbeiter (29%). Den zweiten Platz belegen Finanz- und Buchhaltungszentren (22%) und den dritten Platz die Bankzentren (14%). Seit Anfang 2012 stieg die Beschäftigung im Sektor für Unternehmensdienstleistungen mindestens um 40%. Am stärksten in Wrocław (68%), Kraków (59%) und Łódź (57%). Die meisten neuen Arbeitsplätze entstanden in dieser Zeit in Kraków (11,4 Tsd.) und in Wrocław (8,3 Tsd.).
Schlüsselfaktoren für die Investoren
Schlüsselfaktoren für ausländische Investoren sind weiterhin hochqualifizierte Arbeitskräfte und niedrige Betriebskosten. An Bedeutung gewinnen allerdings solche Faktoren wie Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen, Kooperation im Dienstleistungssektor sowie Unterstützung seitens lokaler Behörden, wenn es um das Anlocken von Investoren, vorläufige Zusammenarbeit, regelmäßige Tätigkeit sowie Förderung der Investitionen in der Wachstumsphase geht. Im Rahmen polnischer Investitionsanreizpolitik werden besondere Begünstigungen für moderne Unternehmensdienstleistungen gewährt. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen: Steuererleichterungen in Sonderwirtschaftszonen (Befreiung von der Körperschaftsteuer), direkte Haushaltszuschüsse für neue Investitionen / Schaffung neuer Arbeitsplätze (von 3,2 Tsd. bis 15,6 Tsd. PLN pro 1 Arbeitsplatz) sowie Förderung der FuE-Zuschüsse bis zu 65% der FuE-Kosten.
Nach Angaben von ABSL sind die Aussichten des Sektors für moderne Unternehmensdienstleistungen in Polen durchaus positiv. Polen wird derzeit und künftig als ein reifer Markt betrachtet. Hier sollen auch in Zukunft weitere Dienstleistungszentren ausländischer Unternehmen geöffnet werden. Polnische Informatiker sind und bleiben sehr gefragt. Die neusten Investitionen sprechen für sich: Es werden gerade Computerprogrammierer von der größten norwegischen Mediengruppe Schibsted Media Group gesucht, die im Mai in Gdańsk ihre Filiale eröffnete. Im selben Monat kündigte der US Konzern EPAM – weltweit führendes Unternehmen in der IT-Branche und der größte Anbieter moderner Software-Lösungen in Ost- und Mitteleuropa an, dass er bis Ende des Jahres rund 100 IT-Experten anstellen will. Langfristig sollen 500 IT-Spezialisten eine Beschäftigung finden. Der Optimismus steigt.